C. F. Hansen und die Marienkirche - Freimaurer Husum

 

C. F. Hansen und die Marienkirche

Freimaurerei und Architektur liegen dicht beieinander, und so lohnt es sich, Bauten von Architekten, die auch Freimaurer waren oder sind, darauf zu untersuchen, wieweit freimaurerisches Gedankengut auch in deren Architektur eingegangen ist. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist das Mausoleum, das der Schweriner Architekt Georg Adolph Demmler (1804–1886) für sich errichtete und das eine Fülle freimaurerischer Zitate aufweist. Demmler war unter anderem der Baumeister des Schweriner Schlosses, außerdem sozial engagiert und später SPD-Politiker im Kaiserreich, was ihm wenig Sympathie bei seinem Fürsten einbrachte.

Auch die Husumer Marienkirche ist ein Bauwerk, das ein Freimaurer plante, nämlich Christian Frederik Hansen (1756–1845). Hansen stammte väterlicherseits aus Husum, er machte eine steile Karriere als Architekt, die ihn zunächst nach Altona und dann nach Kopenhagen führte. Dort war er dann maßgeblich für die öffentlichen Bauten der Hauptstadt verantwortlich, deren Erscheinungsbild er mit prägte. Bekannte Bauten sind: die Domkirche, das alte Rathaus, die Hofkirche des von ihm nach einem Brand wiederaufgebaute Schloss Christiansborg, das seinerseits Ende des 19. Jahrhunderts wiederum abbrannte. In Altona sind von Hansen zahlreiche Bauten an der Elbchaussee erhalten. Hansen war in Dänemark der oberste staatliche Architekt und konnte dem damaligen Bauwesen in Dänemark seinen Stempel aufdrücken. Neben seinem Amt als dänischer Oberbaudirektor war er auch Direktor der Akademie der Künste.

Porträt C. F. Hansen
Porträt C. F. Hansen
(Christiansborg Slotskirke)

Er gilt als einer der herausragenden Architekten des Klassizismus, und er war Freimaurer, eine Karikatur, die ihn als Freimaurer zeigt, ist erhalten geblieben.

Hansens Husumer Marienkirche erinnert an einen Tempel. Im Innern bestimmen zwei Reihen dorischer Säulen das Bild. Sie tragen die Emporen und verorten den Platz der Gemeinde. Am Ende des geräumigen Kirchenraums befindet sich ein Portal mit Pilastern der ionischen Ordnung. Die korinthische Säulenordnung ist durch Akanthusblätter an der Kanzel und den Altarleuchtern angedeutet. Die Kirche symbolisiert den Weg des Menschen zu Gott. Der Mensch betritt, vom Markt her kommend, das Gotteshaus durch ein Portal mit dorischen Pilastern, um am Ende der Weges im Kirchenraum, der auch einen Lebensweg darstellen soll, an ein weiteres Portal mit Pilastern der nächst höheren Säulenordnung zu gelangen. Dieses Portal würde zum Reich Gottes führen. Doch ist es verschlossen, ja vermauert. Gott spricht allerdings durch die Wortverkündigung mit Hilfe des Predigers von der Kanzel zu uns und stärkt uns auf unserem irdischen Weg durch das Sakrament des Altars.

Über dem Portal mit Kanzel und Altar befindet sich eine halbrunde Öffnung, die an einen Regenbogen erinnert und durch die ein imaginäres Licht in die Kirche fällt, eine Verheißung der künftigen Teilhabe am Reich Gottes. Ausgesprochen modern wirkt auch ein anderer Gedanke Hansens, der in der Marienkirche zum Ausdruck kommt: Mit zwei großen Portalen öffnet sich das Kirchenschiff zu dem das Bauwerk umgebenden Kirchhof mit seinen Baumalleen, die außerdem durch die Kirchenfenster aus klarem Glas deutlich von innen zu sehen sind. Damit wird eine Trennung zwischen Kultur und Natur weitgehend aufgehoben und sowohl die Natur in den Kirchenraum geholt wie umgekehrt der Kirchhof als sakraler Raum aufgefasst, Kirche ist also auch in der Natur.

Hansen war ein Kind der Aufklärung und so ist dann auch sein Kirchenbau zu verstehen, der mit dem Verstand begriffen – eben verstanden werden will. Das hat dem Kirchenbau in Husum im Laufe der Zeiten nicht nur Freunde, sondern vor allem auch Feinde eingebracht, unter anderem Theodor Storm, der sie als Kaninchenstall schmähte. Vielen war diese Kirche eben nicht kirchlich genug.

Innenansicht der Marienkirche
Innenansicht der Marienkirche

Man hat dann immer wieder versucht, die Kirche zu verändern, was dem Gesamtkunstwerk indessen nicht bekommen ist. Erst in jüngster Zeit orientiert man sich wieder an Hansens Originalplänen, so dass allmählich die Sprache dieses überragenden Baumeisters deutlich wird.

Die Husumer Kirche wurde 1828–1833 errichtet und zwar zum Teil auf den Grundmauern der 1807 wegen Baufälligkeit abgebrochenen alten gotischen Kirche, dem alten Tempel sozusagen. Diese Kirche war wesentlich größer als die heutige, so dass sich unter dem Pflaster des Markplatzes und innerhalb der halbrunden Kirchhofsmauer vor dem Haupteingang die Ruinen der alten Kirche befinden, wie erst kürzlich durch Georadar bewiesen werden konnte.

Der Freimaurer wird hier und da in der Kirche vertraute Symbole erkennen können, Symbole allerdings, die im gesamten christlichen Raum vorkommen. Wer sich indessen mit Zahlensymbolik befasst, findet immer wieder neue Aspekte und Zusammensetzungen der seit alters bekannten heiligen Zahlen wie 3, 4, 7. So finden sich im unteren Kirchenschiff als Beispiel an jeder Seite 2 x 3 große Fenster, die der dort sitzenden Gemeinde Licht spenden, insgesamt also 12 – die zwölf Apostel, oder 3 x 4, wobei die 3 als göttliche Zahl (Trinität) und die 4 als weltliche Zahl (vier Erdteile, vier Elemente, vier Himmelsrichtungen, vier Flüsse) gilt, zusammen ergeben 3 + 4 = 7, eine ihrerseits alte heilige Zahl aus der Addition der göttlichen und weltlichen Zahlen.

So werden etwa die sieben Tugenden gezählt, nämlich die drei theologischen – Glaube, Liebe, Hoffnung – und die vier Kardinaltugenden: Gerechtigkeit, Vorsichtigkeit, Mäßigung und Stärke.