Johannisloge "Zur Bruderliebe an der Nordsee" in Husum

 

Interview mit Husumer Freimaurern

 

Im Juni 2011 interviewte der Journalist Herr Wolfgang Clausen von http://www.nordfriesen.info den damaligen Logenmeister Hauke Thiesen und seinen 1. Stellvertreter, Herrn Hans-Werner Hellberg.

Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?
Geheimnisse, Verschwörungen: Besuch bei den Freimaurern.

Seit über 50 Jahren kenne ich das Haus Ecke Süderstraße/Mönkeweg, die Freimaurerloge. Jetzt wollte ich wissen, welche Geheimnisse sich dort verbergen. Meister, Geselle, Lehrling, Beamte, Aufseher und Zeremonienmeister. Freimaurer, was sind das für Menschen, was ist das für ein Verein? Immer noch geheimnisumwittert. Wenn man rumfragt, weiß eigentlich keiner so genau Bescheid: Macht, Einfluss und große Geheimnisse. Vom Verfassungsschutz werden sie wohl nicht überwacht. Streit gibt es eher mit der katholischen Kirche.

Hauke Tiesen
Hauke Tiesen
Hans-Werner Hellberg
Hans-Werner Hellberg

Nordfriesen.Info: Was sind Freimaurer?

Thiesen: Ich kann mit der klassischen Definition anfangen: Ein Freimaurer ist ein freier Mann von gutem Ruf, der seine Neigungen zu überwinden und seine Handlungen den Gesetzen der Vernunft zu unterwerfen weiß.

Hellberg: Wir sind völlig undogmatisch in unserer Lehrart, in unserer Philosophie. Wenn Sie fünf Brüder zusammen haben, bekommen Sie zehn Antworten. Ich weiß nicht, ob das schwer zu definieren ist, aber jeder sieht das anders. Wir können ja aus der Geschichte heraus beginnen, vielleicht ergibt es sich dann. Als es mit den Dombauhütten zurück ging, das heißt, der Klerus kein Geld mehr hatte, beziehungsweise der jeweilige Herrscher, kam die spekulative Maurerei dazu, freie Männer kamen hinzu, die nicht dem Herrscher unterstanden.

Nordfriesen.Info: Mit welchem Ziel haben die sich der Loge angeschlossen?

Thiesen: Im Zeitalter der Aufklärung gab es klare Klassen, den Klerus, den Adel und ein kleines, aber wachsendes Bürgertum und es gab die Landbevölkerung. Die Loge war zu der Zeit ein geschützter Raum, und ist es immer noch, in dem ein Adeliger und ein Bürgerlicher zusammen kommen konnten, das gab es sonst gar nicht. In der Zeit wurden auch die ersten demokratischen Strukturen entwickelt und sie entwickelten sich in der Loge, in einem geschützten Rahmen.

Nordfriesen.Info: Welche Ziele verfolgen die Freimaurer heute?

Thiesen: Die Arbeit ist nach innen gerichtet, wir arbeiten an uns selbst. Wir sehen uns als rauen Stein, und wir wollen uns zu einem behauenen, einem vollkommenen Stein entwickeln. Im Sinne eines Ideals.

Nordfriesen.Info: Was ist das Ideal?

Hellberg: Das Ideal heißt, wir beteiligen uns am Bau des „Tempels der Menschlichkeit“. Wir wollen praktisch bessere Menschen werden.

Nordfriesen.Info: Wie machen Sie das?

Hellberg: Wir sagen, wir können es in der Gemeinschaft besser machen als jeder in seinen vier Wänden. Wir kommen alle 14 Tage in unserem Versammlungsraum, den wir Tempel nennen, zusammen und arbeiten an einem uralten Ritual miteinander. Der Meister arbeitet nach diesem Ritual, das ist ein Dialog mit seinen Beamten. In dem Raum wird nicht gesprochen, der Meister spricht und die anderen schweigen.

Nordfriesen.Info: Was sagt der Meister?

Hellberg: Das würde Ihnen nichts bedeuten. Es sind Ritualgespräche, das ist nichts Geheimnisvolles. Es ist wie mit der Musik, Sie können in ein Konzert gehen und sagen, na ja, klasse, wunderbar, aber, das eigene Empfinden können Sie nicht weitergeben.

Nordfriesen.Info: Sie lernen also diese Rituale zu empfinden?

Hellberg: Mit der Zeit ja.

Thiesen: Wir gehen davon aus, dass der Mensch beeinflusst werden kann, durch Sinneseindrücke. Wir machen das ganz bewusst, selbstbestimmt, durch das Ritual, durch Musik, durch Vorträge und durch das brüderliche Zusammensein.

Hellberg: Wir nennen das Arbeit. Arbeit an uns selbst. Wir sagen nicht: „Du musst Dich ändern, sondern: „Ich muss mich ändern.“ Wir lernen durch Symbole, wir haben das Winkelmaß, den Zirkel, wir haben eine Kelle, Sonne und Mond, Licht und Schatten.

Nordfriesen.Info: Wofür steht das Winkelmaß?

Hellberg: Wir müssen uns, wollen uns winkelgerecht verhalten, gegenüber unseren Mitmenschen, unseren Familien, am Arbeitsplatz.

Nordfriesen.Info: Was Sie mir erzählen, sind hehre Ziele, ist zutiefst menschlich, was man mit sich, seinen Mitmenschen, seiner Umgebung macht. Wozu die Verschwiegenheit?

Hellberg: Die Verschwiegenheit kommt aus der Zeit der Bauhütten. Zu dieser Zeit gab es keine Arbeitspapiere. Zeichen, Griff und Wort dienten dazu, sich auszuweisen: „Ich bin Lehrling oder Geselle“, dann hat man seinen Lehrlings- oder Gesellenlohn bekommen. Die Zimmerleute haben so etwas heute immer noch. Heute ist das ganz eng gefasst. Wir sprechen fast über alles, aber nicht über unsere Aufnahme, nicht über Wort, Zeichen und Griff.

Nordfriesen.Info: Mit diesen Zeichen kann man sich vorstellen oder jemanden um Hilfe bitten?

Hellberg: Richtig, oder es wird abgefragt. Wir haben ein gutes Auge dafür, wir spüren das.

Thiesen: Wenn sich jemand das angelesen hätte, würden wir das auch sofort erkennen.

Hellberg: Es ist auch so, wenn wir Interessierte haben, merken wir auch, ob sie zu uns passen oder nicht. Das ist wie eine Ehe, wenn jemand zu uns kommt, soll das doch bis zum Lebensende gehen. Nach Möglichkeit. Das heißt nicht, dass man nicht austreten kann…

Thiesen: …wir sind ein normaler Verein, aus dem kann man austreten.

Nordfriesen.Info: Machen Sie so schlechte Öffentlichkeitsarbeit, oder warum werden die Freimaurer immer noch mit Verschwörungen in Zusammenhang gebracht? Dan Brown hat geholfen?

Hellberg: Das war schon viel früher, in der Nazizeit sind wir schwer bekämpft worden.

Nordfriesen.Info: Das hat Sie ja auch viele Mitglieder gekostet. Sie waren in Deutschland früher 80.000, heute ungefähr 20.000.

Hellberg: Die Freimaurerei ist nach dem Krieg nie wieder richtig lebendig geworden, nie wieder richtig hoch gekommen.

Thiesen: Man hatte Angst vor der Öffentlichkeit, denke ich. Aufgrund der Erfahrungen in der Nazizeit.

Nordfriesen.Info: Aber das dürfte doch heute nicht mehr so sein?

Hellberg: Nein, nein. Wir sprechen ja auch und sagen, wir sind 58 Mitglieder. Aber wir nennen keine Namen. Ich zeige in der Öffentlichkeit, dass ich Freimaurer bin. Das macht Herr Thiesen genau so, aber wir sagen nicht: „Der und der ist auch hier.“

Nordfriesen.Info: Wie können Sie sich sicher sein, dass alles vertraulich bleibt, wenn sich jemand sagt: „Da lasse ich mich mal aufnehmen, nur um zu schauen, was dort passiert?“

Hellberg: Wir können natürlich nicht in das Herz reingucken. Wir versuchen es möglichst vorher heraus zu finden, durch Gespräche, durch Gästeabende. Trotzdem kann natürlich jemand durchs Netz gehen. Ja, dann haben wir halt Pech gehabt. Noch mal zurück zu der Frage: Warum haben die Freimaurer so einen schlechten Ruf? Erst mal ist es durch die Nazizeit gekommen, da hat man Wahnsinnssachen verbreitet.

Nordfriesen.Info: Vorher doch auch schon. Der anhaltende Streit mit der katholischen Kirche, der bis heute nicht beigelegt ist. Kardinal Josef Ratzinger, der heutige Papst, hat 1983 im „Kanonischen Recht“ festgeschrieben: Wer zu den Freimaurern geht, lebt in „schwerer Sünde“ und darf an den Eucharistiefeiern (Abendmahl – Red.) nicht teilnehmen.

Hellberg: Wir haben natürlich auch viele katholische Brüder, sogar Logenmeister. Aber woran liegt es, dass die katholische Kirche uns mehr oder weniger bekämpft? Im Moment ruht das wohl so ein bisschen, es liegt daran, dass sie an unseren Arbeiten ja nicht teilnehmen können. Man muss sich aufnehmen lassen und am Arbeiten teilnehmen. Sie vermuten immer, dass wir ihnen etwas wegnehmen, dass wir irgendwelche Sakramente verteilen. Wir sind keine Kirche, kein Kirchenersatz, wir sind keine Sekte. Jesus Christus ist unser Obermeister. Wir haben in unserem Antrag die eine Frage…

Thiesen: … „Bekennen Sie sich zur Lehre Jesu Christi, wie sie in der Heiligen Schrift enthalten ist?“. Und die kann nur mit: „Ja“ beantwortet werden. Aber nicht im Sinne einer dogmatischen, religiösen Richtung, ob man evangelisch, katholisch, baptistisch…

Hellberg: …oder gar nicht in der Kirche ist.

Nordfriesen.Info: Was ist mit einem Moslem?

Thiesen: In der Freimaurerei würde er schon aufgenommen werden, nur nicht in der großen Landesloge, da sind wir so ein bisschen Exoten.

Hellberg: In der Kieler Loge sind zwei Moslems aufgenommen worden, die auch unterschrieben haben: Ja, wir bestätigen, dass wir die Lehre Jesu Christi, so, wie sie in der Bibel steht, anerkennen.

Nordfriesen.Info: Das kann man ja sehr weit auslegen.

Hellberg: Ja, natürlich, ganz weit.

Nordfriesen.Info: Wenn ich sage, das, was dort geschrieben steht, ist menschlich, es muss aber nichts mit Jesus Christus zu tun haben. Es geht nur um das, was dort geschrieben steht.

Thiesen: Ja, genau, man muss an ein höheres Wesen glauben. Wie das nun ausgestaltet ist..

Hellberg: … der eine sagt, mit der Natur, wie sie geschaffen worden ist…

Nordfriesen.Info: … die Buddhisten haben z.B. Flussabschnitte..

Hellberg: … selbstverständlich, ja.

Thiesen: Also, einen reinen Atheisten können wir nicht aufnehmen.

Nordfriesen.Info: Warum dürfen Frauen nicht dazu kommen?

Hellberg: Es gibt inzwischen auch gemischte Logen, es gibt auch reine Frauenlogen. Wir können uns eine gemischte Loge nicht vorstellen. Wir würden uns anders benehmen, wenn Frauen dabei wären. Wir würden uns anders zeigen.

Thiesen: Das würde auch gar nicht gehen, vom Ritual her.

Nordfriesen.Info: Weltanschaulich vertreten Sie nichts nach außen, außer..?

Thiesen: Wir vertreten Grundwerte, wie Freiheit, Brüderlichkeit, Toleranz, Grundwerte, die wir seit alters her vertreten.

Hellberg: Es gibt noch zwei Dinge, die wir in unserer „Constitution“ stehen haben: Wir diskutieren nicht über Religion und Parteipolitik.

Thiesen: Wir sind keine Religion, wir sind nicht esoterisch, wir sind spirituell.

Das Gespräch führte Wolfgang Claussen für Nordfriesen.Info